Vielleicht hast du es ja schon mitbekommen… Nein, natürlich weißt du es schon seit Langem. Wir sind zurück in Deutschland. Und so gemischte Gefühle wir in den letzten Wochen vor der Heimreise auch hatten, so unheimlich gemischter sind sie jetzt, da wo wir wieder hier sind. Es ist irgendwie erschreckend wie schnell doch alles ging und noch erschreckender, wie schnell man wieder in alte Verhaltensmuster und Gewohnheiten zurück verfällt.
Die Anreise
Doch ich fange am besten von vorne an. Vor etwas über einem Monat stiegen wir im schön warmen Phuket in den den größten Flieger der Eurowings Flotte – den A330. Der Direktflug war für seine Länge ungewohnt angenehm. Wir hatten ihn schon über zwei Monate zuvor – Anfang Januar – über Momondo für 323 Euro pro Person geschossen. Das Gefühl im Bauch, als wir die Kabine des Fliegers betraten war etwas, was wir so noch nie gefühlt hatten. Eine Mischung aus Unbehagen, Ungewissheit und Fernweh, und das, obwohl wir noch nicht eine Sekunde in Deutschland waren.
Es fühlte sich aber schon so an. Alle um uns herum sprachen Deutsch. Die Boarmanschaft, die Touristen und auch die Durchsage des Piloten ertönte zuerst in unserer Muttersprache und dann in selten schlechtem Englisch. Mir schoss die Frage in den Kopf, ob ich mich auch so grauenhaft anhöre, wenn ich englisch spreche. Wir schlürften den Gang entlang, verstauten unsere Rucksäcke und nahmen in der Vierer-Reihe in der Mitte des Fliegers platz. Neben uns saß ein älteres, sehr freundliches Pärchen, mit dem wir uns direkt anfreundeten.
Dann rollte der Flieger los und schon waren wir in der Luft. Das haben wir mittlerweile ja schon in Fleisch und Blut. Als wir die Reisehöhe erreichten steckten wir uns unsere Kopfhörer in die Ohren, schalteten abwechselnd Hörbücher, Serien und Filme an und dösten immer wieder ein. Da wir schon um fünf Uhr in der Früh vom Taxi abgeholt wurden, hatten wir nicht viel Schlaf bekommen und so verschliefen wir den halben Flug. Fast dreizehn Stunden und zwei Flugzeug Mahlzeiten später landeten wir auch schon in Köln. Als wir aus dem Flieger traten, traf uns fast der Schlag. Wir hatten schon unsere wärmsten Klamotten an doch und schlotterten trotzdem die Knie. Mit dem Bus gings zum Terminal und von dort erst mal in die automatische Passkontrolle. Ich fühlte mich ein wenig wie Vieh in der Vereinzelungsanlage im Schlachthaus. Dank Handgepäckrucksäcken mussten wir wenigstens nicht noch aufs Gepäck warten und konnten direkt raus gehen. Dort wartete auch schon mein Vater auf uns um uns abzuholen und nach Hause zu bringen.
Wohnen bei Mutti und die Wiedereinbürgerung
Zu Hause, hmm… So ein richtiges zu Hause hatten wir schon seit einer Ewigkeit nicht mehr. In den letzten drei Jahren haben wir immer nur für ein paar Wochen irgendwo gewohnt. Im Auto, im Hostel, im Hotel, im Wohnwagen, im Share-House, im Airbnb. Jetzt wohnten wir in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Meine Eltern hatten uns ein Zimmer zum Schlafen und eines zum Arbeiten zurecht gemacht und freuten sich wahnsinnig, endlich nochmal Zeit mit uns verbringen zu können. So schön es auch im Schoße der Familie war, so ungern wollten wir ihnen länger als nötig zur Last fallen.
Es musste eine andere Lösung her. Also hieß es auf Wohnungssuche gehen. Wir durchforsteten Zeitungen, Kleinanzeigenportale, fragen Freunde und hörten uns im Dorf um. Doch eine Bleibe ist nicht das einzige Problem, wenn man nach Deutschland zurückkehrt. Es warten auch diverse Pflichten auf dich. Ich weiß nicht ob ich mich da einfach nur anstelle – ja, wahrscheinlich tue ich das – aber ich habe die Freiheit auf Reisen sehr zu schätzen gelernt und jetzt hieß es einen Großteil dieser Freiheiten wieder aufgeben. Allen Voran die Freiheit Einkommenssteuerbefreit zu sein.
Neben der Wohnungssuche verbrachten wir die ersten Tage also damit von Amt zu Amt zu rennen, zahllose Dokumente auszufüllen, wieder weg geschickt zu werden weil irgend ein unsinniger Wisch fehlte und am nächsten Tag wieder zu kommen. Außerdem schauten wir uns noch nach einem Auto um und meldeten uns bei unseren Krankenkassen an. Die Zeit dazwischen nutzen wir um zu arbeiten. So vergingen die Tage viel schneller als uns eigentlich lieb war.
Unser neues Heim
Nach knapp zwei Wochen wurden wir dann endlich fündig. Nicht nur mit der Wohnung sondern auch mit einem Auto. Einem Ford Focus Kombi – perfekt wenn man damit neben einem kleinen Mann noch Kinderwagen und Co. transportieren möchte. Die Wohnung liegt im Ortsteil, in dem Annikas komplette Familie wohnt. Die freuten sich natürlich wahnsinnig uns so nah bei sich zu haben und stehen gefühlt jeden Tag wegen irgendwas vor unserer Tür. Der Einzug war relativ schnell erledigt. Wir hatten ja nicht viel. Ein paar Kartons auf dem Dachboden meiner Eltern und Annikas Oma und schon waren wir eingezogen.
Unsere neue Wohnung ist echt hübsch, wenn auch ein bisschen über unserem geplanten Budget. Dafür mussten wir für den Einzug nicht viel kaufen, da eine nagelneue Küche vorhanden war. Lediglich ein Sofa und ein paar Kleinigkeiten von Ikea mussten wir uns zulegen. Am meisten freue ich mich wieder an meinem Schreibtisch arbeiten zu können. Diesen kann ich nämlich elektronisch hoch fahren um mich hinzustellen und im Stehen zu arbeiten. Mein Rücken dankt es mir.
So sehr wir unsere neue Wohnung auch mögen, in dem Moment als wir nach der Schlüsselübergabe zum ersten Mal drin standen wurde uns richtig mulmig im Bauch. Plötzlich kamen jede Menge Ängste und Sorgen in uns hoch. Ist das jetzt wieder unser Leben? Können wir uns das überhaupt leisten? Müssen wir uns womöglich wieder Jobs suchen oder reicht das Geld aus der Selbstständigkeit aus? Und dann natürlich noch die wichtigste Frage.
Ist unsere Weltreise jetzt zu Ende?
Deutschland ist ziemlich teuer. Steuern, GEZ, Versicherungen und noch mehr Steuern. Seit wir hier sind, haben wir so viel Geld ausgegeben wie sonst in zwei bis drei Monaten auf Reisen. Das Geld, dass wir in den letzten Monaten mühsam angespart haben, schwindet drastisch und ob wir auch hier von unserer Selbstständigkeit leben können wird sich noch zeigen müssen. Doch was wenn nicht? Was ist wenn es einfach nicht ausreicht. Müssen wir dann wieder Jobs annehmen, 40 Stunden jede Woche im Hamsterrad laufen nur um leben zu können? Ist unsere Weltreise damit jetzt zu Ende. Aus und vorbei?
NEIN! Die fängt jetzt erst so richtig an!
Das, was wir jetzt hier erleben, führt uns nur eines noch deutlicher vor Augen: wir wollen weiterreisen. Nach drei Jahren haben wir jetzt erst so langsam den Dreh raus. Vor drei Jahren hatten wir noch keine Ahnung vom Geld verdienen. Wir schufteten in ätzenden Jobs für einen viel zu geringen Lohn und vergeudeten unsere Zeit mit Banalitäten. Wir verschwendeten unser hart verdientes Geld mit unsinnigen Zeitvertreiben und teuren aber unnötigen Hobbies.
Heute wissen wir es besser und wir werden alles daran setzen, dass wir es schaffen. Dass es kappt, haben wir in den letzten Monaten gemerkt. Unser Einkommen reicht bereits jetzt prima aus um z. B. in Asien oder Südamerika sehr gut leben zu können. Dieses Jahr heißt es nun, wie auch schon letztes Jahr, weiter zu wachsen, das Einkommen weiter zu steigern und an einen Punkt zu kommen, an dem wir uns auch mal wieder mehrwöchige Auszeiten vom Arbeiten erlauben können.
Deutschland ist dafür die Feuerprobe. Wenn wir es hier schaffen, ist es im Rest der Welt ein Kinderspiel. Denn in dem Moment, in dem wir Deutschland wieder verlassen, verdoppelt sich unser Einkommen auf einen Schlag. Bis es soweit ist, heißt es ranklotzen. Und weil wir jetzt beide von zu Hause aus arbeiten können haben wir dieses Mal viel mehr Zeit für uns und unseren kleinen Mann, was die Motivation zusätzlich oben hält.
Alte und neue Gewohnheiten
Etwas erschreckend fand ich, wie schnell wir wieder in alte Gewohnheiten verfallen sind. Welche das genau sind, sage ich jetzt lieber nicht, denn ehrlich gesagt schäme ich mich dafür. Aber ich bin auch erstaunt wie gut sich die neuen, positiven Gewohnheiten, die wir uns auf Reisen angeeignet haben, halten. Zum Beispiel die Arbeit. Früher kamen wir nach 8 Stunden Arbeit nach Hause, sanken vor dem Fernseher in uns zusammen und vegetierten den restlichen Tag vor uns hin. Jetzt ist das anders. Wir arbeiten viel mehr und viel intensiver – weil es einfach wahnsinnigen Spaß macht.
Ich stehe um 7:30 auf und arbeite bis mittags. Dann essen wir zusammen und ich mache weiter. Abends gönne ich mir dann zwei oder drei Stunden Pause in denen ich Sport treibe oder mir etwas auf YouTube anschaue. Dann stehe ich wieder vorm PC und arbeite meist bis 12 oder 1. Statt fernsehen zu schauen, gehe ich jetzt joggen und höre dabei Hörbücher über Audible – zwei Fliegen mit einer Klappe – und auch meine Tiny Habits werden von Woche zu Woche zahlreicher. Außerdem versuchen wir gesünder zu essen. Statt Zucker gibt es Honig in den Kaffee – von dem ich leider noch nicht vollständig ablassen kann – und es gibt jeden Tag einen Obstteller.
Wie geht es jetzt weiter
Deutschland ist doch teurer als wird zuerst angenommen haben. Ursprünglich hatten wir geplant auch hier kreuz und quer durch die Gegend zu reisen, Leser und Zuschauer zu treffen und Deutschland aus den Augen eines Reisenden zu betrachten. Daraus wird wohl in den nächsten Wochen erst mal nichts aber vielleicht pendelt es sich ja doch noch ein und wir können wenigstens einen Teil der Pläne umsetzen. Ich hab unheimliche Lust mal wieder einen Nationalpark zu bewandern und Annika möchte unbedingt mal Schloss Neuschwanstein sehen.
Allerdings macht die Arbeit, nachdem wir auf Phuket in unseren typischen Thailand-Insel-Chiller-Modus verfallen waren, momentan auch wieder unglaublich viel Spaß und es ist schade, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Viel zu wenig Zeit um all die Ideen umzusetzen, die ich habe. Tja, eigentlich wie immer, könnte man meinen. Während ich das hier schreibe ist es auch schon wieder halb 11 abends und ich habe heute schon rund 13 Stunden programmiert und ich fühle mich fantastisch bei dem Gedanken daran, dass ich noch zwei weitere Stunden dran hängen kann, bevor ich ins Bett gehe.
Ich kann jedem nur empfehlen jeden einzelnen Tag zu nutzen um großartige Dinge zu erschaffen oder sich weiterzubilden. Noch nie in meinem Leben war ich so voller Zuversicht, Energie und Tatendrang wie jetzt, und das obwohl ich auch diverse Ängste und Sorgen in mir Trage. Doch wenn ich an meinen Sohn denke, der schon in wenigen Wochen das Licht der Welt erblicken wird, wird der Ehrgeiz in mir noch größer und ich weiß, dass eine fabelhafte Zeit auf uns wartet. Vielleicht nicht heute und vielleicht nicht morgen. Vielleicht nicht einmal nächstes Jahr aber sie wird kommen, das ist gewiss.
Liebe Annika, lieber Jan
Eure Einstellung und euer Wille wird euch zum Ziel führen. Oder ist eher der Weg das Ziel? Egal wo man ist und was man tut, mit einem Ziel vor Augen gibt es immer einen Grund weiterzumachen, Projekte umzusetzen und das Leben so gestalten, wie man sich’s erträumt.
Ich wünsch euch eine super Zeit in Deutschland, geniesst es und alles Gute für die bevorstehende Geburt. Euer Wunder kommt bald zur Welt, das ist so spannend.
Als ich euren Beitrag gelesen habe mit dem Wiedereinstieg, hat mich das gedanklich gleich zurück versetzt. Uns ging es nach 3 Jahren Weltreise genauso. Kaum zurück in der Schweiz haben wir alte Gewohnheiten angenommen. Aber das ist wohl einfach so. Dafür ist man um soviele Erfahrungen reicher, hat ein anderes und total einfaches Leben kennen gelernt. Und wenn die Zeit da ist, geht es weiter… wohin auch immer.
Viel Glück & bleibt so wie ihr seid.
Herzlich, Reni
Danke für die lieben Worte. Ihr seid eines unserer Vorbilder, aber das wisst ihr ja sicher. Wenn ich daran denke jetzt mal eine Zeit hier zu sein muss ich immer an euch denken und ihr seid ja dann auch los und dann ja permanent. So wird es bei uns hoffentlich auch laufen. 🙂
Lieber Jan, liebe Annika,
jetzt muss ich euch doch schreiben. Wir können eure Gedanken, Ängste, Zweifel und Ansichten soo gut nachvollziehen 🙂
Auch unsere Reise ist Ende 2017 nach 3.5 Jahren unterwegs vorerst zu Ende gegangen, da im Januar unser Mädchen zur Welt kam <3 Auch wir versuchen uns in der Schweiz mit unserer Selbstständigkeit über Wasser zu halten, können uns nicht vorstellen wieder in dieses Hamsterrad zu steigen, suchen nach Lösungen und wissen: irgendwann wollen wir wieder unterwegs sein.
Wir wünschen euch, dass ihr Wege findet, bald wieder reisen sein zu können. Bis dahin geniesst euer Kind – es wird jeden Tag zu einem wunderschönen Abenteuer machen. Meldet euch, wenn ihr Lust auf Austasuch habt:)
Alles Liebe Sabine&Andy