Nachdem wir uns Miami einige Tage angesehen haben und in letzter Stunde noch vor Hurricane Irma fliehen konnten, stand nun eine der zehrendsten Flugreisen an, die wir je durchstanden haben. Es war anstrengend, schlafraubend, unbequem, nervig aber auch irgendwie witzig und unvergesslich.

Dank dem Sturm gab es erneut keine Probleme mit dem Handgepäck und wir betraten den Flieger unserer Airline. Die erste Etappe sollte nach Reykjavik gehen, vorbei an New York und dann über den großen Teich bis nach Island. Wir saßen noch eine weile vor dem Gate, aßen eine Pizza von Pizzahut und hörten Musik. Dann öffneten sich die Türen der Einstiegsbrücke und wie von Geisterhand erhoben sich die Massen der geduldigen Passagiere, nur um eine endlos scheinende Schlange durch das halbe Terminal zu formen.

Wie Vieh standen die Leute in ihrer Reihe, bereit durch den schmalen Metallkorridor in eine kleine Aluminiumtube zu marschieren, welche sie über den Ozean bringen würde, weg von dem kommenden Sturm, zurück in die Heimat oder einfach irgendwo anders hin, so wie uns. Ich machte Touristen aus, Locals, Familien, Geschäftsleute aus aller Welt und mittendrin wir, zwei Dauerreisende auf dem Weg ins nächste Abenteuer. Da ich auf Rucksack tragen und Schlange stehen keine lust hatte, blieben wir noch sitzen. Immer wenn die Schlange kürzer zu werden schien, kamen von irgendwo neue Passagiere und reihten sich am Ende ein, so dass es einige Zeit lang so aussah, als ginge überhaupt nichts voran.

Doch der Schein trügte und irgendwann kam das Ende der Schlange neben uns zum Stehen. Das war das Zeichen sich ebenfalls zu erheben und einzureihen. Dann das übliche Prozedere. Im Gänsemarsch zur Ticketkontrolle, Ticket zeigen, abreißen, Zettel entgegen nehmen und weiter marschieren. Dann eine Weile im Korridor ausharren und anschließend von einer Stewardess den ersten oder zweiten Gang anhand des kleinen Papierfetzens mit der Sitznummer zugewiesen bekommen. Nun zum Platz dackeln, den Rucksack im Gepäckfach verstauen, platz nehmen, anschnallen, das Handy auspacken und es sich bequem machen. Herzlichen Glückwunsch, du bist angekommen.

Ich starre aus dem Fenster und beobachte das Treiben am Boden. Menschen wuseln hin und her, Gepäckwagen rollen durch die Gegend und ein Bus bringt Passagiere zu einem Flugzeug, welches etwas weiter weg vom Terminal steht. Die erlösende Durchsage vom Kapitän schallt durch die Kabine und das Flugzeug setzt sich in Bewegung. Gemütlich reiht sich unsere Maschine in die Reihe der zum Abflug bereiten Fluggeräte ein. Eine letzte Durchsage vom Kapitän – die Crew soll sich “ready for take off” machen – und wir sind an der Reihe. Die Turbinen heulen auf, dann kommt der volle Schub. Ich werde in meinen Sitz gepresst und der vollbeladene Airbus saust los.

Drei Minuten später befinden wir uns bereits mitten in der Luft über Miami. Der Flieger steigt steil hinauf in den Himmel. Dann kippt der Pilot den Flieger um spiralförmig weiter an Höhe zu gewinnen. Ich habe Glück und kann aus dem Fenster noch einen letzten Ausblick auf Miami und die Everglades erhaschen bevor das Flugzeug erneut die Richtung ändert. Ich habe genug gesehen und verdunkle mein Fenster. Ich daddle auf dem iPhone ein kurzweiliges Spiel, bei dem es darum geht Blöcke in verschiedenen Formen auf ein 10 x 10 Blöcke großes Spielfeld zu ziehen und Reihen zu bilden. Jedes Mal wenn man eine horizontale oder vertikale Reihe vervollständigt, löst sie sich auf. Ein bisschen wie Tetris. Dann gehen die Anschnallzeichen aus und allgemeine Erleichterung macht sich in der Kabine breit.

Wir fliegen mit WOW air, einer isländischen Billigfluggesellschaft und der Name ist Programm. Nicht wie in “Wow, was für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis”, sondern eher wie in “Wow, ich hatte keinerlei Erwartungen und wurde trotzdem enttäuscht”. Die Sitze waren selbst für Billigflieger ziemlich unbequem und die Preise für Getränke und Essen astronomisch. Ich machte mir eine Folge House of Cards auf meine iPhone an, welche ich mir in Miami noch schnell darauf geladen hatte, und lehnte mich zurück. Während der nächsten 7,5 Stunden machte ich kaum ein Auge zu. Ich vertrieb mir die Zeit mit Lesen, Serien und Sudoku sowie 1010!, das süchtig machende Blockspiel.

Als wir in Island landeten, war es dort gerade mitten in der Nacht. Alle Geschäfte hatten zu und wir waren vom Flug ziemlich erledigt. Irgendwann haben wir uns jeder eine Dose Pepsi gekauft aber nun hatten wir richtigen Durst. Wir irren durch den Flughafen auf der Suche nach Flüssigkeit, Nahrung oder eine Tafel, auf der wir Infos über unseren Weiterflug finden können. Doch wir wurden nicht fündig und da wir langsam etwas genervt waren, machten wir uns nun auf die Suche nach einem Raucherraum. Eigentlich haben wir ja aufgehört zu rauchen aber irgendwie hatten wir beide mal wieder total Lust darauf und da wir eh vor hatten in Amsterdam nicht nur zu nächtigen, dachten wir uns was sollst, rauchen wir halt während der Flugreisen. Vielleicht war es auch einfach Schicksal, sonst wäre der Tag oder die Nacht nämlich ganz anders verlaufen.

Wir laufen eine Treppe hoch und stehen auf einmal vor eine Passkontrolle. Unsicher dessen, ob es hier zum Ausgang geht – wir wollen den Flughagen ungern verlassen und erneut einchecken – fragte ich die Beamtin ob es hier zum Flug nach Amsterdam geht. Sie bejaht und unsere Pässe werden kontrolliert. Dann dürfen wir weiter und sind, wie uns jetzt klar wird, nun im richtigen Terminal. Ein Korridor führt zu einer großen Halle in der mehrere Cafes und Bars stehen. Wir biegen nach Rechts ab und huschen vorbei an den Toiletten zu einem Raucherraum, doch wir stehen irritiert vor der Tür und wundern uns, warum sie nicht aufgeht. Dann fällt Annika ein Schalter neben der Tür auf. Sie drückt ihn und wie von Zauberhand öffnen sich die Schiebetüren vor unsern Nasen.

Wir schreiten in einen Vorraum, an dessen Enden sich eine weitere Schiebetür befindet. Eine Schleuse sozusagen. Die Tür hinter uns schließt sich und wir öffnen die Tür vor uns. Dann betreten wir den Raucherraum. An der Decke hängen Heizstrahler und die sind auch bitter nötig. Ohne unsere Jacken stehen wir nur im Pulli da. Wir kommen aus der brütenden Hitze Floridas und sind auf dem Weg in eine ebenfalls warme Region. Nur leider ist der Zwischenstopp im kalten Europa, das auf den Herbst zusteuert. Wir zünden uns eine Zigarette an und nehmen einen tiefen Zug.

Dann geht die Tür erneut auf und ein junger Mann kommt herein. Er hat eine ziemliche Präsenz und obwohl er kleiner ist als ich, hat er eine wahnsinnig Energie geladene Ausstrahlung. Er trägt ein Silberkette, eine silberne Uhr, Ringe und anderen Schmuck. Über seinem weißen T-Shirt hängt eine schwarze Brusttasche. Er zieht einen kleinen Rolli hinter sich her und fragt uns gutgelaunt, ob wir Feuer hätten. Ein Gespräch entwickelt sich und es stellt sich heraus, dass er sich in letzter Minute noch ein Flugticket nach Amsterdam ergattert hat um da seine Freundin zu treffen und mit ihr nach Italien zu fliegen.

Wir quatschen über dies und das und lernen Dean besser kennen. Er ist 26 und Sohn eines Großunternehmers aus Südamerika. Seine Familie ist sehr vermögend doch er wollte sich schon früh unabhängig machen. So gründete er sein erstes Unternehmen bereits mit 16 Jahren. Ein An- und Verkauf von Luxusautos in Puerto Rico. Während der Vater irgendetwas mit dem Vertrieb von Pepsi in Südamerika zu tun hat, baute der Sohn sich nach und nach weitere Unternehmen auf und ergatterte schließlich ein Visum für die USA, wo er sich in Miami niederließ und eine Import-Firma gründete. Dann folgten mehrere Nachtclubs in Puerto Rico und Miami.

Ein sehr interessanter Typ. Schlau, schlagfertig und tierisch gut drauf als wäre er immer noch unter der Sonne Miamis statt im regnerisch dunklen Island um drei Uhr morgens. Mir machten mittlerweile meine Zahnschmerzen wieder zu schaffen und es war mal wieder an der Zeit eine Tablette zu schlucken. Im Gespräch kamen wir darauf, was wir in Amsterdam machen würden und unsere Antwort erheiterte Dean.

Unser Plan war es vom Flughagen zum nächstbesten Coffeeshop zu fahren, einen Joint zu rauchen, ein Hotel zu suchen und zu schlafen, bis am nächsten Tag der nächste Flieger geht. Wir haben lange überlegt ob sich ein Hotel lohn aber unser Stopover war einfach zu lang um ihn nur am Flughafen zu verbringen und würden wir in die Stadt fahren und nicht schlafen, wäre das unser Ende. das würden wir nicht überleben. Wir würden schon etwas finden wo wir unterkommen und die Augen zu machen können.

“So so, Amsterdam besuchen und ein bisschen Kiffen, was? Das klingt nach einem guten Plan. In Miami komme ich an medizinisches Marihuana, das ist dort legal.”, sagt Dean freudestrahlend. Dann folgen Tipps zu Coffeeshop, die wir unbedingt besuchen müssen und ganz nebenbei zieht er eine E-Zigarette aus der Tasche und nimmt einen tiefen Zug. Wir schauen ihn verwirrt an, hat er doch eben gerade erst seine zweite Zigarette geraucht. “Pures, medizinisches Marihuana”, beantwortet er die im Raum stehende Frage. “Gut gegen Schmerzen und bei Krebs, hier willst du?”, fragt er und ich erwidere: “Ja, warum nicht.”. Ich nehme zwei tiefe Züge. Es schmeckt ein wenig wie Gras, ist aber ganz mild und mehr wie Wasserdampf. Wie eine Shisha, ohne den angenehmen Beigeschmack verbranntem Tabaks. Ich reiche den Vaporizer weiter zu Annika.

Zusammen schlendern wir zur Anzeigetafel um in Erfahrung zu bringen, von welchem Gate unser Flieger geht. Da wir zusammen fliegen, beschließen wir die Zeit zusammen totzuschlagen. Wir kommen an einem Cafe vorbei, das im Begriff ist zu öffnen. Dean ruft durch den halben Flughafen in viel zu lautem Ton, ob er einen Kaffee bekommen könnte. Die Bedienung errötet leicht, während sie Stühle von den Tischen räumt. Sie verneint die Frage, bietet uns aber an im abgesperrten Bereich platz zu nehmen und zu warten bis der Laden öffnet.

Wir unterhalten uns weiter und haben eine großartige Konversation. Wir tauschen Gedanken aus, über seine Firmen, unsere Arbeit und über das Reisen. Wir spinnen Gedanken und quatschen über Musik. Der Kaffee kommt und auch wir genehmigen uns eine Tasse. Ich kann mir ein gelegentliches Kichern nicht verkneifen und auch wenn der Vaporizer mich nicht weg haut, so fühle ich doch eine angenehme innere Ruhe und Freude. Meine Zahnschmerzen sind ebenfalls komplett weg und das erste Mal seit Tagen fühlt sich mein Mund vollkommen normal an.

Dann wird es Zeit zum Gate zu gehen. Wir erheben uns von unserem Tisch, machen ein paar letzte Späße mit den zwei Kellnerinnen, die den Laden um 6 Uhr morgens alleine schmeißen und watscheln los. Es geht zurück durch den Korridor doch dieses Mal laufen wir an der Passkontrolle vorbei in die andere Richtung. Dann nach Rechts und ganz am Ende eine Rolltreppe hinunter. Auch hier fragt Dean, erneut ein wenig zu Laut für die Uhrzeit, eine am Ticketschalter stehende Stewardess, wie lange es wohl noch dauern würde. Dieses ist mit der Situation ein wenig überfordert und murmelt etwas unverständliches. Dann läuft sie rot an und versenkt ihren Kopf hinter einem Computermonitor. Wir können uns ein Kichern nicht verkneifen und ich frage Dean ob sie wohl noch nie eine “brown person” gesehen hat, woraufhin sich dieser ein Lachen nun gar nicht mehr verkneifen kann. Wir grinsen uns alle an und haben noch eine richtig gute Zeit, bis sich abermals die Tore öffnen und das Einsteigen von vorne beginnt.

Zwanzig Minuten später sitzen wir auch schon wieder auf unseren Sitzen und versuchen zu schlafen, wenigstens ein bisschen. Es gelingt jedoch mehr schlecht als Recht und so  vergehen die nächsten dreieinhalb Stunden sehr zäh. Dafür sehen wir als Entschädigung mal wieder einen der schönsten Sonnenaufgänge. Hoch oben über den Wolken ändert der Himmle innerhalb weniger Sekunden seine Farben von Schwarz zu Blau und plötzlich schießt ein blendendes Licht zwischen der Wolkenschicht und dem Horizont hervor.

Beim Sonnenuntergang auf dem Weg nach Island war es genau anders herum. Wir hatten das Fenster die meiste Zeit abgedunkelt doch Annika machte es zwischendurch genau im richtigen Moment hoch um die letzten Sonnenstrahlen zu erblicken. Der Himmel war Feuerrot doch als wir unsere Kameras ausgepackt und fotobereit hatten, war es schon zu spät und der Feuerball verschwand bereits hinter den Wolken. Alles was und blieb war die Erinnerung.

Das Fenster wird wieder dicht gemacht und ich mache mir House of Cards an. Dabei versuche ich zu schlafen, was nicht wirklich klappt. Annika lehnt ihren Kopf an meine Schulter und schnarcht irgendwann vor sich hin. Ihr Kopf kippt manchmal nach vorne, worauf hin ihr ganzer Körper zuckt und ihn zurück auf meine Schulter zieht. Eine Minute später: das gleiche Schauspiel. So vergehen die Stunden bis das Flugzeug endlich den Sinkflug antritt. Ungefähr 20 Stunden sind wir wir nun schon auf den Beinen und langsam merke ich die Müdigkeit.

Am Flughafen dann erstmal Chaos. Wo müssen wir hin? Wo gibts WIFI? Gibt es für Uber einen speziellen Treffplatz? Na wenigstens müssen wir nicht aufs Gepäck warten und so können wir direkt los. Was mir auffällt, sind die vielen Muslime. Wohin man schaut, man sieht Frauen in Kopftüchern, viele tragen Burkas und einige haben selbst die Augen verschleiert. Jede Frau hat außerdem mindestens einen männlichen Begleiter. Kurz frage ich mich ob wir am richtigen Flughafen gelandet sind doch dann gehen wir weiter in Richtung Ausgang wo wir dann auch endlich eine Netzwerkverbindung bekommen und ein Uber rufen können.

Mit dem Uber gehts direkt in die City zum Coffeeshop. Darauf freuen wir uns in diesem Moment noch richtig. Es gibt Leute, die machen mit Kiffen gute Erfahrungen und es gibt Leute, die machen damit schlechte Erfahrungen. Wir haben stets gute Erfahrungen gemacht und da wir fast nie etwas trinken und es in den Niederlanden außerdem vollkommen legal ist, stand für uns fest, dass wir uns in Amsterdam etwas Erholung von den Strapazen der Flüge in Form einer harmlosen Pflanze besorgen würden. Als wir aus dem Uber aussteigen, dass uns zuvor durch verworrene Straßenzüge, über Kanäle und durch Häuserschluchten hindurch chauffierte, regnet es. Wir weichen einer Straßenbahn aus, die sich eine kleine Brücke über einen Kanal hinauf schiebt, und suchen Schutz in einem McDonalds.

Einen Cheeseburger später studieren wir die Straßenkarte. Okay, dort müssen wir hin. Der zweite Cheeseburger wird ausgepackt und unterwegs verzehrt. Vor der Brücke biegen wir in die Straße ein, die den Kanal entlang führt. Nach 50 Metern erreichen wir den Coffeeshop. Sein Name ist nichts sagend und bleibt mit nicht im Gedächtnis. Ein Haus weiter ist außerdem auch schon der nächste Coffeeshop. Wenns uns hier also nicht gefällt, haben wir alternativen. Fotos und Videos sind tabu, dafür kann nach Herzenslust die Cannabis-Karte durchprobiert werden.

Der Laden ist gerade so breit wie die drei nebeneinander befindlichen Türen, die alle samt offen stehen. Links nimmt die Theke ca. ein Viertel des Raumes in Beschlag. Vor ihr Hocker, hinten an der Wand ein Spiegel und davor Holzregale mit Getränken. Unter der Glastheke stehen große Gläser mit gläsernen Deckeln, halbvoll mit köstlich aussehenden Knospen, breit für den Verzehr. Rechts im Raum ist eine niedrigere Theke an der Wand. Davor runde Hocker, die ausstehen als wären sie massive Holzstämme.

Weiter hinten im Raum befindet sich eine Art Trennwand, wie ein Gestell eines Paravent, durch das man teilweise hindurchsehen kann. Im rechten Drittel ist ein Durchgang der nach hinten führt. Ganz am Ende des noch einmal so großen Raumes, der dieses Mal jedoch nur Tische, Stühle, Sessel und Couches enthält, befindet sich die Tür zu den Toiletten. Die halbhohen Schwingtüren, über die man problemlos hinweg schauen kann, laden nicht dazu ein, hier sein Geschäft zu verrichten, sofern es kein absoluter Notfall ist.

Wir nehmen an einem Tisch neben zwei Engländern platz. Uns gegenüber sitzt ein kleiner, dicker Franzose. Die schneeweißen Engländer geben selbst im schummrig gedämpften Licht des spärlich beleuchteten Raumes einen aberwitzigen Kontrast zum pechschwarzen Franzosen, der natürlich kein Wort Englisch oder irgend eine andere Sprache außer Französisch spricht. Der Franzose hat dicke Kopfhörer auf und scheint seine eigenen Beats zu genießen, statt dem dudeln aus den Lautsprechern an der Decke zu lauschen.

Annika hat uns Eistee und einen Joint gekauft und beides gilt es nun so gekonnt wie möglich zu konsumieren. Abwechselnd reichen wir den glühenden Stummel dem anderen, nehmen ein paar Züge und reichen ihn zurück. Langsam macht sich Entspannung breit. Und so ein lustiges Kribbeln. Alle Strapazen sind vergessen und wir können einen Moment lang nur das Hier und Jetzt genießen. Ich unterhalte mich aufgeregt mit dem sichtbar völlig breiten Engländer neben mir und will mehr über ihn wissen. Das macht einige Zeit lang großen Spaß doch dann ruft mich Annika zurück in die Realität. Wir haben noch kein Hotel und müssen uns noch einen Schlafplatz für die Nacht suchen. Muss das unbedingt jetzt sein?

Es hilft alles nichts. Ich schmeiße das Handy an und wir gehen über das WIFI des Coffeeshops ins Internet. Einzige Bedingung: man muss bei Facebook teilen, dass man hier ist. Na ja was soll’s, wir brauchen das Internet. Bei booking.com suchen wir angestrengt nach einem günstigen Hotel, welches möglichst in der Nähe ist. Irgendwann schaffe ich es nicht mehr, mich auf die Website im Browser zu konzentrieren und der Bildschirm meines Handys wirkt, als wäre er drei Armlängen von mir entfernt. Mein Blick wird zum Tunnel, jedes Mal wenn ich auf das Display gucke. Ich bin völlig übermüdet und es fällt mir schwer mich jetzt noch zu konzentrieren. Ich könnte mich einfach zurücklehnen, die Augen schließen und friedlich einschlafen. Aber da sind noch die Rucksäcke und wie lange würde ich schlafen? Was wenn Annika auch einschläft und uns jemand unsere Rucksäcke klaut? Was wenn alle Hotels ausgebucht sind und wir die Nacht am Flughafen verbringen müssen?

Panisch reiche ich Annika das Handy um die Aufgabe zu vervollständigen. Wir werden glücklicherweise doch noch fündig und Annika, die wenigstens ein paar Stunden geschlafen hat, hat genügend Konzentration um eine Buchung auszuführen. Mit letzter Kraft rufen wir das Uber und treten hinaus auf die Straße. Der Regen hat mittlerweile aufgehört und nun erkennt man auch, wie schön die Gegend eigentlich ist. Häuserfassade haben die für die Innenstadt typischen Verzierungen und der Regen hat auch aufgehört. Es folgt eine Fahrt, die länger ist als mir lieb ist. Wir werden am Eingang einer Fußgängerzone herausgelassen und halb schlafend versuche ich nichts im Fahrzeug zu vergessen. Ich habe vergeblich versucht im Auto ein wenig Schlaf zu finden doch es wollte einfach nicht klappen.

Vor uns befindet sich ein Kanal. Gerade aus führt eine breitere Straße in eine Fußgängerzone. Auf beiden Seiten vom Kanal führen kleinere Nebenstraßen nach Links und Rechts. Rechts führt außerdem eine Weg hinauf zu einer Überbrückung und – wie sich später zeigen sollte – zum Bahnhof. Ohne Internet versuchen wir der Wegbeschreibung auf der Karte zu folgen doch der Punkt führt uns die Hauptstraße gerade aus entlang zu einem New Yorker, einem Klamottengeschäft. Annika muss pinkeln und hat es sich seit sie das letzte Mal im Flieger war verkniffen. Nun wird es ernst. Wir laufen verwirrt und völlig stoned die Straße weiter bis wir am anderen Ende der Insel zum nächsten Kanal kommen. Irgendwas stimmt nicht. Wir laufen zurück zum ersten Kanal, biegen dieses Mal gegenüber der Überführung ab und fragen in einem kleinen Geschäft nach dem Weg.

Die Dame hinterm Tresen hat offensichtlich nichts zu tun und freut sich darüber behilflich sein zu können. Sie schaut auf Google Maps nach und sagt, wir müssen nur der Straße weiter folgen, dann würden wir es sehen. So laufen wir abermals die Straße weiter entlang, bis wir auf einmal erneut vor einem Kanal stehen. Verdammt, das kann doch nicht sein und Annika wird auch immer unruhiger. Also wieder zurück und dieses Mal nehmen wir endlich die richtige Abbiegung, nämlich die, die zum Bahnhof führt. Nachdem die Steigung genommen ist sehen wir auch schon das Schild vom Hotel.

Wir checken problemlos und zügig ein. Bezahlt haben wir schon bei der Buchung und nachdem wir den Schlüssel in den Händen halten suchen wir unser Zimmer. Dann das erlösende Knacken des Türschloss, nachdem die Schlüsselkarte den Zutritt genehmigt hat. Die Tür öffnet sich und wir lassen die Rucksäcke von den Schultern gleiten. Angekommen. Jetzt erst mal aufs Klo. Und dann die Zähne putzen. Auch der zweite Cheeseburger, den wir unterwegs zum Coffeeshop verzehrten, hatte nicht lange satt gemacht und so hieß es nun noch einmal raus und etwas zu Essen suchen.

Glücklicherweise war das kein Problem. Durch einen schmalen Flur gehen wir zum Aufzug. Mit dem gehts hinunter in die Lobby. Von der aus führt ein gläserner Gang hinaus auf die Straße, mitten hindurch zwischen den angrenzenden Läden. Auf der gegenüber liegenden Seite des Kanals werden wir unter der Überführung fündig. Ein Supermarkt öffnet uns seine Tore und wir decken uns mit Gebäck ein. Käsestangen, irgendwelche gefüllten Teigtaschen und eine Art überbackenes Brot. Mit der Beute im Gepäck gehen wir zurück zum Hotel, wo ich mich einfach nur noch ins Bett fallen lasse und die Augen schließe.

Ein Rütteln weckt mich aus meinem kurzen Schlaf. Es ist Annika. Die wenigen Stunden im Flieger, die mir fehlen und nun ihren Tribut von mir fordern, die Annika geschlafen hat, haben ihr ausreichend Kraft geschenkt um jetzt ganz heiß darauf zu sein zu Primark zu gehen. Dieser befindet sich nämlich quasi genau unter unserem Hotel. Ich hatte aber so gar keine Lust und so kamen wir zur Übereinkunft, dass sie alleine bummeln geht und ich ein bisschen Schlaf aufhole. Ehe ich auch noch viele Worte sagen konnte, war ich auch schon wieder weggetreten, wurde dann aber erneut von Annika geweckt, die schon vom Shoppen zurück kam. Endlich konnten wir nochmal ein paar T-Shirts auswechseln und Annika hat nun auch wieder einen Schlafanzug.

Ich kaute lustlos auf einer der Käsestangen herum, hatte aber einen ausgetrockneten Mund und bekam nicht wirklich etwas runter. Alles wonach es mich sehnte war Schlaf. Süßer, sanfter, traumloser, erholsamer, kräfteschenkender Schlaf. Da wir jedoch morgen schon die nächsten Zeitzonenwechsel vor uns hatten, wollte ich mich wenigstens noch so lange wach halten, bis es draußen dunkel wird.

Die Wirkung des Joints war schon längst verflogen doch wir hatten vorgesorgt und uns eingedeckt. Den restlichen Nachmittag und den Abend verbrachten wir so kichernd vorm Laptop, aßen das trockene Backwerk und gingen, immer wenn die Wirkung nachließ, nach draußen auf die Straße um für Auffrischung zu sorgen. Beim Nachrechnen fiel Annika dann auf, dass mit dem Hotel und den Uber Kosten unser Aufenthalt fast so viel kostet, als hätten wir den teureren Direktflug ohne eintägigen Zwischenstop genommen. Na ja, so haben wir wenigstens noch einmal Amsterdam besucht.

Dann wird mein Gedächtnis lückenhaft. Ich bin schon zu lange auf Schlafentzug. Die Serien dudeln in weiter Ferne auf Annikas MacBook, welches auf einem Stuhl zwischen unseren Betten steht – es gab nur noch Zimmer mit zwei Einzelbetten. Ich versuche mich mit 1010! wach zu halten doch nicke immer wieder kurz weg. Sobald mein Kopf auf die Brust fällt schrecke ich hoch und versuche konzentriert die nächste Form aufs Spielfeld zu legen. Ich kämpfe jedoch falle ich immer wieder in einen Sekundenschlaf. Irgendwann entflieht mein Bewusstsein dann gänzlich der Realität und ich schlummere sanft und friedlich ein.