Unglaublich wie die Zeit rennt, nicht wahr? Es ist schon wieder Februar, genauer gesagt ist schon fast ein Drittel des Februars herum, also könnte man doch eigentlich schonmal die erste Bilanz fürs neue Jahr ziehen. Wie viele von uns haben sich auch dieses Jahr wieder “Vorsätze fürs neue Jahr” gemacht? Wie viele dieser Vorsätze haben wir auch umgesetzt? Und gab es vielleicht auch Vorsätze die wir zwar angefangen aber dann relativ schnell wieder aufgegeben haben?
Ich bin Anfang Januar über einen sehr interessanten TED Talk von Dr. Brian J. Fogg gestolpert und seitdem absolut begeistert. Er ist Psychologe und Verhaltensforscher und in seiner Präsentation ging es um die langfristige Verbesserung des eigenen Verhaltens. Die siebzehnminütige, englischsprachige Präsentation kannst du dir kostenlos auf YouTube anschauen und ich kann sie dir nur wärmstens ans Herz legen:
Wenn Englisch jedoch nicht so dein Ding ist, versuche ich dir den Inhalt hier so gut es geht auf Deutsch wiederzugeben. Für mich war es eine – und ich hoffe ich lehne mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster – lebensverändernde Erfahrung. Absolut genial und ich wünschte mir ich hätte das Video schon bei seiner Veröffentlichung im Dezember 2012 gesehen – wer weiß was ich dann schon alles erreicht hätte.
Tiny Habits vs Big Changes
Im Video geht es grob gesagt um die langfristige Veränderung bzw. die Verbesserung deines Verhaltens. Dr. Fogg sagt, dass solch eine langfristige Veränderung nur durch zwei verschiedene Wege herbeigeführt werden kann. Entweder durch “Big Changes” wie die Veränderung deiner Umgebung (z. B. durch Umzug, eine neue Arbeit und die Veränderung deiner sozialen Kontakte) oder durch die Etablierung vieler kleiner Gewohnheiten, der “Tiny Habits”.
Da ersteres meist schwierig ist – wer will schon seinen Freundeskreis komplett auf den Kopf stellen oder Umziehen, nur um ein bisschen Fitter zu werden, geht er im Folgenden auf die kleinen Gewohnheiten ein, die dein Verhalten bestimmen. Und hier wird es nun richtig interessant. Schauen wir uns dazu einmal das von Dr. Fogg entwickelte “Fogg Behavior Model” an.
Zur Veränderung des Verhaltens über die Tiny Habits gibt es drei notwendige Elemente, die zur gleichen Zeit greifen müssen: Motivation, Fähigkeit zur Umsetzung und ein Auslöser. Als Beispiel gibt er z. B. das Laufen eines Marathons an. Hast du dazu keine Motivation und ist es für dich außerdem schwer, da du untrainiert bist, wirst du es einfach nicht tun. Im Diagram wäre der Marathon unten links. Einmal aufzustehen, vor die Tür zu gehen und es sich drinnen wieder gemütlich zu machen wäre hingegen unten rechts. Es ist einfach und auch wenn du vielleicht keine Motivation hast könntest du es einfach schaffen.
Die Gewohnheit liegt also über der “Action Line” und kann somit problemlos von dir als neue Gewohnheit etabliert werden. Dazu brauchst du nur noch einen entsprechenden Auslöser. Jedes Mal wenn der Auslöser (“Trigger”) auslöst, übst du die Gewohnheit aus. Vor allem kleine, einfache Gewohnheiten lassen sich so im Laufe einiger Tage und Wochen nahezu vollständig automatisieren, so dass du irgendwann garnicht mehr drüber nachdenkst.
Unterbewusst hast du dir so bestimmt selbst schon die ein oder andere Gewohnheit – nicht notwendigerweise eine Gute – angewöhnt. Rauchern zum Beispiel fällt es unheimlich schwer aufzuhören, da sie sich oft über Jahre hinweg viele solcher Trigger geschaffen haben. Nach dem Essen wird geraucht, beim Warten auf den Bus wird geraucht, morgens auf dem Weg zur Arbeit wird geraucht – da ist es klar, dass man, wenn man Aufhören will, nach dem Essen die größte Lust zu Rauchen verspürt. Schließlich hat man den Griff zur Zigarette über Jahre mehrmals täglich trainiert.
Große Ergebnisse durch kleine Gewohnheiten
Um sich und sein Verhalten also auf lange Sicht zu verbessern gilt es nun eine Vielzahl kleiner Gewohnheiten zu schaffen, die in Summe dein Verhalten bestimmen. Er nennt das: “Design not for the outcome but for the behaviours which lead to the outcome”, also so viel wie: “Entwerfe nicht für das Endergebnis sondern die Gewohnheiten, die dich zum Ergebnis führen”.
Als Beispiel gibt er hier ein Ziel, welches er selbst hatte und an sich ausprobierte, das Ziel “Gewicht verlieren”. Dieses ist per se zu grob und schwammig, so dass es an der Umsetzung scheitert. Daher entwarf er sich einige kleine Gewohnheiten und kombinierte diese mit täglich häufig auftretenden Auslösern. Als Beispiel dazu führt er auf “Wenn ich pinkeln war, mache ich zwei Liegestütze”. Schaut man sich nochmal das Diagram oben an, so stellt man fest, dass zwei Liegestütze ziemlich einfach sind. Mit der Motivation Gewicht zu verlieren bzw. gesünder zu leben, die nicht gerade niedrig sein dürfte, liegt diese Gewohnheit also weit über der Aktionslinie.
Und nicht nur das, hat man erstmal mit den zwei Liegestütze – oder welche Gewohnheit man sich sonst an- oder abgewöhnen möchte – angefangen, packt einen zusätzlich oft noch der Ehrgeiz und gemäß dem Motto “Der Hunger kommt beim Essen” macht man statt den zwei Liegestützen drei, vier, fünf oder gleich zehn. Na ja Hauptsache man macht mindestens die zwei, die man sich vornimmt.
Celebrate Victory – Erfolge Feiern
Um die neuen Gewohnheiten zusätzlich zu festigen und die Motivation nicht zu verlieren, sagt Dr. Fogg, man soll seine Erfolge feiern. So blöd man sich dabei im ersten Moment auch fühlen mag, so gut funktioniert es in der Realität, da sich unser Unterbewusstsein gut austricksen lässt. Es gibt z. B. Studien bei denen Probanden grundlos lachen sollten oder unbewusst zum Lachen bzw. Lächeln gebracht wurden. Das Unterbewusstsein schüttet dann ganz automatisch Stoffe in unseren Körper aus, die z. B. Schmerzen und Depressionen lindern.
Ähnlich ist es mit dem Feiern der eigenen – auch der kleinen – Erfolge. Hat man seine kleine Gewohnheit, nachdem sie durch einen Trigger ausgelöst wurde, erfolgreich umgesetzt, feiert man den Erfolg als hätte man gerade etwas wahrhaft großes vollbracht. Auch hier gibt Dr. Fogg Beispiele dazu:
- Die Faust in den Himmel strecken
- Beide Arme vor dem Körper vor und zurück wedeln wie ein Fußballer nach einem Tor
- Sagen: “Ich bin großartig”
- Sagen: “Bingo”
- Ein kleiner Erfolgstanz wie ihn z. B. Footballer nach einem Touchdown aufführen
Nicht zu viel auf einmal
Eine Sache wäre noch als wichtig anzumerken. Nimmt man sich zu viel auf einmal vor, könnte es eventuell nichts werden. Dann rutscht man wieder in die “Große Veränderung auf einen Schlag” ab. Als Richtwert gibt der werte Doktor daher an sich eine kleine Gewohnheit pro Woche vorzunehmen. Immerhin sind das auch 52 mögliche Veränderungen pro Jahr und das kann ziemlich große Auswirkungen auf das eigene Leben haben.
Idealerweise nimmt man sich eine Tabelle (z. B. Google Docs oder Excel) oder ein Notizbuch und trägt dort all die kleinen Gewohnheiten ein, die man sich im Laufe der nächsten Wochen und Monaten angewöhnen möchte. Dann schreibt man die jeweweilige Woche und den Auslöser dazu und schon kann es losgehen mit der einfachen und dauerhaften Verändern des Lebens.
Meine Erfahrungen
Nun ist es also schon Februar. Ich probiere das Konzept der “Tiny Habits” nun seit circa einem Monat an mir aus und ich bin echt begeistert. Zum Jahreswechsel habe ich es kaum geschafft 10 Liegestütze zu machen und war danach erstmal 10 Minuten fix und fertig. Also habe ich mir einfach mal die Angewohnheit “Ich mache zwei Liegestütze wenn ich pinkeln war” bei Dr. Fogg abgeschaut. Mittlerweile mache ich problemlos 10 bis 20 Liegestütze – und das jedes Mal nachdem ich auf dem Klo war. Am Stück schaffe ich, wenn ich es darauf anlege, 30 oder mehr. Somit kommen auf den Tag verteilt, je nach dem wie viel ich trinke, so einige Liegestütze zusammen.
Ein weiteres Ziel meinerseits war es produktiver zu werden. Da ich abends zum Einschlafen oft YouTube gucke und mir immer 10 Tabs mit Videos aufmache, kam es früher vor, dass ich morgens noch einige offene Tabs im Browser hatte. Da passierte es schonmal, dass das ein oder andere Video so interessant aussah, dass ich es mir morgens noch “schnell” anschaute, was die Produktivität für den Tag geradezu ruinierte, da ich so in eine “Ich hab eigentlich gar keine Lust heute irgendwas zu machen, ich will lieber weiter Videos gucken”-Laune verfiel. Daher ist eine weitere meiner neuen Gewohnheiten: “Wenn ich morgens meinen Laptop anschalte, schließe ich alle YouTube Tabs”. Egal wie interessant ein Video auch sein mag. Will ich es wirklich noch anschauen, so speichere ich es einfach in der “Später ansehen” Playlist. Seitdem beschäftige ich mich morgens wieder mit produktiveren Dingen. Das sind nur ein zwei der Gewohnheiten, die ich mir in letzter Zeit antrainiert habe und ich muss sagen, sie gehen mir von Tag zu Tag leichter von der Hand.
Fazit
Fassen wir also nochmal die wichtigsten Punkte zusammen:
- Mit reiner Willenskraft lassen sich keine großen, dauerhaften Veränderungen erzielen
- Große Veränderungen lassen sich aber super durch kleine Gewohnheiten erzielen, quasi die Schritte auf dem Weg zum Ziel
- Um Gewohnheiten vollständig zu verinnerlichen bedarf es
- ausreichender Motivation
- einer einfachen Umsetzbarkeit
- eines Auslösers
- Man sollte sich maximal eine neue Gewohnheit pro Woche antrainieren
- Man sollte jedes Mal, wenn man die Gewohnheit erfolgreich umgesetzt hat, feiern
Ich kann dir wirklich nur raten das ganze selbst einmal auszuprobieren. Sei es um dir neue, gute Gewohnheiten anzutrainieren oder alte, schlechte Gewohnheiten los zu werden. Schließlich sagte der weise Chinese Lǎozǐ schon vor über 2.500 Jahren:
Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit dem ersten Schritt.
Ich hoffe dieser kleine Beitrag hilft dir endlich den Arsch hoch zu bekommen und deine Neujahresvorsätze zu verwirklichen. Abgerechnet wird schließlich nicht morgen oder nächste Woche sondern am Ende des Jahres und bis dahin ist noch viel Zeit neue Gewohnheiten umzusetzen. Aus “Mehr Sport machen” wird also “Wenn ich auf der Toilette war, mache ich zwei Liegestütze.”, “Nachdem ich etwas gegessen habe, mache ich fünf Kniebeuge” und “Wenn ich nach Hause komme und meine Wohnung betrete, mache ich drei Situps”. So klappt es mit Sicherheit und irgendwann sogar ganz automatisch und unbewusst.
Besser gehts doch garnicht und schon kann man sich den nächsten Dingen widmen. Statt “Mehr lesen” kann man sich ja z. B. auch einfach ein Buch nebens Klo legen und sagen “Wenn ich auf dem Klo sitze, lese ich eine Seite”. Aus “Gesünder leben” wird “Wenn ich morgens aufwache, trinke ich ein großes Glas Wasser”. Ich glaube das Prinzip dürfte verstanden sein. Ich wünsche dir viel Erfolg. Solltest du jetzt auch Bock auf neue Gewohnheiten bekommen haben, so würde ich mich sehr freuen wenn du mir deine Trigger und Gewohnheiten in die Kommentare schreiben würdest. Ich bin sehr gespannt.